Ausstellung mit Josef Derflinger und Evelyn Kreinecker
Kunst als Möglichkeit dem eigenen Wesen nahe zu kommen. Gefühlen und Gedanken Raum geben. Wahrnehmen, Spüren, Beobachten, sich Aussetzen und Einlassen, Nachdenken, Fragen, Antworten. In der Betrachtung auch sich selbst begegnen können.
Evelyn Kreinecker
lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Prambachkirchen, Oberösterreich. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist Malerei und Zeichnung, aber auch Animationsfilme gehören zu ihrem Werk. Der Mensch steht im Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung, die sie als „Untersuchung der Wirklichkeit“ und Versuch, etwas Wahrhaftiges dabei herauszufinden, beschreibt.
Gestisches und Realismus, Zeichnung und Malerei, Ornament, Textur und Linie, Auflösung und Verdichtung verbindet sie in ihren Arbeiten zu komplexen Bildern. Bekannt ist sie auch für ihre Kohlezeichnungen, die manchmal auch ganze Wände und Räume ausfüllen.
Kreineckers Werke sind auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen und sind in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen zu finden. Für ihre Filme erhielt sie mehrere Auszeichnungen.
Atelier Kreinecker
Hauptstraße 31
4731 Prambachkirchen
evelyn.kreinecker@gmx.at
www.evelynkreinecker.at
Evelyn Kreinecker „How fragile we are”
Angelika Doppelbauer:
"Erst kürzlich machten die Medien auf den fünften Jahrestag des Auftretens der ersten Corona-Fälle in Österreich aufmerksam. Die Pandemie hat das Leben nachhaltig verändert, sodass Ereignisse in vor Corona und nach Corona eingeteilt werden. Die Zeit der Pandemie ist an niemandem spurlos vorüber gegangen. Der Ton in der Gesellschaft ist vielfach rauer, die Haut der Menschen jedoch dünner geworden.
Evelyn Kreinecker, die aufmerksame Beobachterin gesellschaftlicher und menschlicher Befindlichkeiten, ortet eine neue Fragilität im menschlichen Zusammenleben und thematisiert dies in ihrer aktuellen Serie „How fragile we are“. Diese Fragilität bewertet die Künstlerin ambivalent. Sie macht verletzlich, kann aber auch zu einer Kraft werden und stärken. Wenn man spürt, wie fragil das Leben, Beziehungen und die Rahmenbedingungen des menschlichen Zusammenlebens sind, kann man das Bewusstsein und die Kraft entwickeln, besser darauf zu achten und sie zu schützen.
Eine eigene Erkrankung während der Pandemie, die es notwendig machte, sich selbst zu isolieren, um niemand anderen anzustecken, gab den Anstoß zu der Serie. Das Erlebnis, zwei Wochen lang nicht umarmt zu werden und keinen Körperkontakt zu haben, rief in der Künstlerin ein starkes Gefühl von Verletzlichkeit hervor. Eine Dünnhäutigkeit, die Gefühle sehr deutlich zu Tage treten ließ. Das Bedürfnis nach Kontakt, nach Geborgenheit, gehalten werden und nach einer Umarmung in Zeiten, in denen man sich nicht einmal die Hand geben konnte, ist vielen noch präsent.
Evelyn Kreinecker versinkt nicht in Melancholie und Schwermut, sondern verarbeitet dieses Gefühl des Mangels in ein kraftvolles Bekenntnis zu dem, was Menschen als soziale Wesen ausmacht. Sie malt Umarmungen, Berührungen, Gefühle, liebevolle Gedanken und geht damit in die Stärke. Die Bilder sind getragen von Ruhe und Zuneigung, ohne Drama oder sexuelles Begehren. Geschlecht spielt keine Rolle, sondern es geht um ein zutiefst menschliches Gefühl des Mitfühlens und der Verbundenheit.
Die meisten Bilder zeigen mehrere Personen. Die Darstellungen verschränken und überlagern sich, die Kompositionen sind ausgewogen und raumfüllend. Die Linien der Überlagerungen verankern das Motiv in der Bildfläche. Die gedeckten, harmonischen Farbklänge wecken Emotionen. In den Blicken schwingt Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, sie begegnen dem Gegenüber wahrhaftig, gehen in Kontakt und sind trotzdem ganz bei sich. Die Gesten sind verbindend, geben Halt und bestärken.
Die einzelnen Bildschichten sind so gekonnt ineinander verwoben, dass oft auf den ersten Blick nicht klar ist, zu wem ein Körperteil gehört. Die Darstellungen gehen ineinander über, so wie man sich von der Präsenz einer anderen Person umfangen fühlt, Gedanken in einem Gespräch ineinander übergehen können, aber auch als Ausdruck kollektiver Erfahrungen, die nicht nur einen Menschen betreffen. Die Künstlerin begegnet sich selbst, in ihren eigenen Bedürfnissen und malt das, wonach viele sich sehnen, in Zeiten von Kriegen und Bedrohungen. Ihre Bilder erzählen von Zuneigung, Empathie und Mitgefühl.
Die farbigen Leinwände in unterschiedlichen Formaten der Serie „How fragile we are“ werden ergänzt von kleineren Kohlezeichnungen."
Josef Derflinger
ist Professor an der PHDL und Kunstuniversität in Linz. Die praktische Auseinandersetzung mit visuellen Objekten und Phänomenen ist ihm in der Lehre, bei der Arbeit mit den Studierenden wichtig. Er lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Bad Wimsbach Neydharting, Oberösterreich.
Die ihn umgebende Natur, der Garten und der Mensch sind Inspiration und Quelle seines Schaffens. Durch das Studium der Natur, der uns umgebenden Realität entwickelt er sowohl abstrakte als konkrete Plastiken im Material Stein, Holz und Ton. In der Serie „Zanshin“ oder „Wachsamkeit“ steht der menschliche Kopf in Mimik und Haltung, als Ausdruck von Emotionen im Mittelpunkt. Es ist eine Annäherung an die Fragen, des Seins, der Stellung des Menschen in der Welt, ein Eintauchen in das eigene Wesen, sowie ein Dialog mit dem menschlichen Angesicht. Wobei die Antworten offen bleiben.
Josef Derflinger
Neydharting 58
4654 Bad Wimsbach-Neydharting
josef.derflinger@kunst-design-technik.at
https://kunst-design-technik.at
Angelika Doppelbauer:
"Der Titel Selbstbegegnungen lädt zu unterschiedlichen Assoziationen ein. Sich selbst zu begegnen in Zeiten großer Ablenkung und Zerstreuung ist wohl eine Sehnsucht, die viele kennen. Der Titel verweist auch auf eine therapeutische Methode der Selbsterfahrung, bezieht sich jedoch vor allem auf ein Buch, das der römische Kaiser Marc Aurel im zweiten Jahrhundert unter anderem im Gebiet des heutigen Österreich verfasste. Darin denkt er im Stil von Selbstgesprächen über sich und die Welt nach. Das Werk ist stark von der stoischen Philosophie beeinflusst. Marc Aurel sieht den Menschen als Teil der universalten Natur, deren Prinzipien er unterliegt, mit allen Möglichkeiten und Grenzen. Als höchstes Glück gilt ihm die Seelenruhe, die auch beinhaltet, sein Schicksal anzunehmen.
Die stoische Philosophie stimmt in zahlreichen Aspekten mit fernöstlichen Traditionen überein, in denen Gelassenheit, Harmonie, Absichtslosigkeit und Aufmerksamkeit als erstrebenswerte Haltungen gelten. Mit diesem Kosmos hat sich der Künstler Josef Derflinger tiefgründig auseinandergesetzt. Seine Werkserie “Zanshin“ besteht aus einer Vielzahl an Köpfen, beziehungsweise Büsten aus Ton. Auf den ersten Blick scheinen sie sich zu ähneln, aber sie unterscheiden sich durch ihre Oberflächen, durch die Art der Herstellung und Verarbeitung, durch ihre Haltung und Mimik, Ausdruck und Emotion. Die Unterschiede sind fein und subtil, aber je länger man sie betrachtet, desto deutlicher treten verschiedene Typen hervor, individuelle Merkmale, unterschiedliche Physiognomien und Stimmungen.
Manche Köpfe sind äußerst realistisch, andere manieristisch in die Länge gezogen, oder gedrungen, ohne jemals den Eindruck naturalistischer Darstellung zu verlassen. Manche sind kahl, andere tragen angedeutete, historisch wirkende Kopfbedeckungen. Es finden sich keine Anzeichen auf Bekleidung, die einen Anhaltspunkt zur Einordnung in einen bestimmten Kontext geben würden. Die Köpfe bleiben pur und wirken dadurch ein wenig rätselhaft.
Zanshin wird mit „balancierter Geist“ übersetzt. Es ist ein Konzept aus den japanischen Kampfkünsten, das einen körperlichen und geistigen Zustand erhöhter Wachsamkeit beschreibt: Aufmerksamkeit, Konzentration und Achtsamkeit, eine Einheit von Körper und Geist, ganz bei sich sein im Hier und Jetzt. Diese Haltung drückt sich in größtmöglicher Ruhe aus, die aber jederzeit bereit ist, zu handeln.
Viele Figuren von Josef Derflinger halten ihre Augen geschlossen. Ihr Blick geht nicht nach außen, sondern wendet sich nach innen. Die Darstellungen agieren nicht, sondern scheinen aufmerksam. Sie nehmen wahr, hören zu statt zu sprechen. Sie gehen nicht in Kontakt mit den Betrachtenden, sondern laden das Publikum ein, sich mit sich selbst zu beschäftigen.
Durch ihren eigenen Blick nach innen gewähren sie auch ihrem Gegenüber diese Freiheit. Man muss ihrem Blick nicht begegnen und hat dadurch die Möglichkeit, auch selbst nach innen zu blicken. Der Künstler wünscht sich Selbstbegegnungen für sein Publikum, beim Betrachten seiner Werke.
Büsten dienen oft als Erinnerung an berühmte Persönlichkeiten. Bei Josef Derflinger handelt es sich jedoch um anonyme Gesichter. Es geht ihm weniger um eine individuelle Physiognomie, als um die Suche nach Archetypen und den sparsamen Ausdruck allgemeingültiger Gefühlsregungen.
Neben den Büsten aus Ton fertigt Josef Derflinger auch Holzskulpturen, archaisch anmutende Köpfe, teilweise lasierend gefärbt und amorphe Figuren, die trotz ihrer Reduktion Assoziationen zu menschlichen Körpern erwecken. Sie sind gleichzeitig Mensch, Stele und Säule, viel zu zart für eine Karyatide. Das natürlich scheinende Auf- und Abschwellen ist wie eine zarte Verbeugung vor dem Bildhauer Constantin Brancusi. Josef Derflinger treibt dabei das Material an seine statischen Grenzen. Wie dünn kann ein Abschnitt sein, ohne abzubrechen oder die Standsicherheit der ganzen Figur zu gefährden? Manche dieser eleganten Gebilde scheinen direkt aus dem Holz eines Baumes herauszuwachsen, der an seinem Fuß noch die Rinde trägt. Der Künstler arbeitet Hand in Hand mit der Natur und übernimmt dort, wo sie ihm das Material überlässt. Als Inspiration dient ihm sein Garten, den er wie eine Skulptur bearbeitet."
Eröffnung: So 09. März 2025, 11:00 Uhr mit Mag.a Angelika Doppelbauer, Kunsthistorikerin und Kuratorin


